Die Geburtsstunde des Staubexplosionsschutzes lässt sich genau datieren. Am 7. November 1887 gegen 7:00 Uhr kam es in der Wesermühle in Hameln zu einem Großbrand, der elf Menschenleben forderte und zur Zerstörung eines kompletten Gebäudetraktes führte. Dass es in Mühlen zu Bränden und Explosionen kam, war nicht ungewöhnlich. Im Mittelalter wurden die Mühlen eben deshalb außerhalb von Städten und Dörfern errichtet. Und die Müller hatten einen schlechten Ruf, weil man mutmaßte, dass die häufigen Brände mit Hexerei oder alchimistischen Experimenten zu tun hatten.
Auch bei der Wesermühle dachte man zunächst nicht an Mehlstaub als Brandursache. Vielmehr vermutete man, bei Reparaturarbeiten hätte sich das Petroleum einer umgefallenen Petroleumlampe entzündet und das Getreide in einem Silo und auf einem Förderband in Richtung Getreidereinigung in Brand gesetzt – daher die schnelle Brandausbreitung. Das konnte aber widerlegt werden, denn besagte Lampe wurde nach dem Brand unbeschädigt gefunden. Damit kam wieder die bis dahin gängige Erklärung ins Spiel: Getreide entwickelt bei langer Lagerung „schädliche Dampfgase“, die explosionsfähig sind. Dem stand jedoch entgegen, dass das Getreide in den Silos recht frisch war.
Jetzt kommt der preußische „Verein für Gewerbefleiß“ ins Spiel. Er konnte zur damaligen Zeit in Versuchen (erstmals) nachweisen, dass Getreide- und Mehlstaub entzündlich ist, wenn er in einem bestimmten Mengenverhältnis zum Luftsauerstoff vorliegt. Eben das, so der Befund von Prof. Dr. Weber von der Technischen Hochschule Berlin, war Ursache für den verheerenden Brand in der Wesermühle. Und eben das konnte er in Vorträgen mit einer selbst gebauten Versuchsvorrichtung anschaulich demonstrieren – das waren die ersten bewusst erzeugten Staubexplosionen.
Damit galt der Zusammenhang von (Mehl-)Staub (plus Sauerstoff in bestimmtem Mischungsverhältnis plus Zündfunke) und Explosion als nachgewiesen, und vor allem Mühlenbetreiber, aber auch andere Industriezweige begannen mit der Umsetzung von Vorsorgemaßnahmen. Im Nachhinein ist es erstaunlich, dass dieser Zusammenhang erst so spät erkannt wurde. Das Fazit von Prof. Weber im Jahr 1888: Es müsse alles daran gesetzt werden, „Mittel und Wege zu ersinnen, um den gefahrvollen Staub auf kürzestem Wege möglichst schnell und gründlich zu beseitigen.“
Das ist auch heute noch ein zentraler Grundsatz des Staubexplosionsschutzes. Leider gilt hier nicht immer das Motto „Gefahr erkannt – Gefahr gebannt“. 1895 brannte die neu errichtete Wesermühle nochmals nieder, diesmal vollständig.